Wie leicht das Leben sein kann
Nathalie und Franҫois haben eine Liebe, die geprägt ist von Humor, Respekt und guter Laune. Sie sind sich selbst und ihrem Umfeld fast schon unheimlich in ihrem Glück, das nichts und niemand trüben kann – außer der Tod. Er nimmt Nathalie den Mann weg: Eines Sonntags wird Franҫois beim Joggen von einer Blumenhändlerin überfahren. Nathalies Leben ist nun erschreckend leer, und sie versucht, es mit Arbeit zu füllen. Sie brütet in ihrer schwedischen Firma über langweiligen Akten und wehrt sich gegen die Avancen ihres Chefs Charles. So ziehen drei ereignislose Jahre ins Land, bis eines Tages Nathalies unscheinbarer Mitarbeiter Markus in ihr Büro kommt und Nathalie ihn einfach küsst. Diese ungeheuerliche Tat wirft alles durcheinander: Plötzlich besteht eine Verbindung zwischen der schönen Witwe und dem unattraktiven, aber gewitzten Schweden. Das finden die Arbeitskollegen und der Chef absolut inakzeptabel. Nathalie und Markus ist das aber herzlich egal: Wo die Liebe hinfällt, dort soll sie willkommen sein.
Nathalie küsst von David Foenkinos hat alles, was eine heiter-leichte, beschwingt-komödiantische Unterhaltungslektüre braucht. So leicht kommt dieses wunderbare Buch daher, dass ich mich unwillkürlich frage, warum andere Roman so schwerfällig sind. David Foenkinos legt in dieses Buch, was als französischer Esprit bekannt ist: ein ironisches Augenzwinkern, viel Sinn für Zwischenmenschliches und ein gelassenes Schulterzucken dem Schicksal gegenüber. Seine Sätze sind kurz, prägnant und einfallsreich, der Erzählton verblüffend nonchalant. Wie mit Glitzerkonfetti bestückt, rieseln sie dem Leser entgegen und verzaubern ihn. Schöne Metaphern sind auch dabei: „Sein Innenleben stand in vollkommenem Einklang mit dem aggressiven Gelb der Neonlichter.“ Ein ganz besonderes Detail in diesem Roman sind die vielen Einschübe, die jeweils auf eine Begebenheit im vorangegangenen Kapitel Bezug nehmen und sie näher ausführen: die Wahl der Vorspeise etwa, fachliche Erläuterungen zum Thema Fischallergien, Zitate, die Anzahl der im Jahr 2002 verkauften Knäckebrotpackungen oder der Wikipedia-Artikel über PEZ. Das ist eine geniale, lustige und auflockernde Idee.
Es bietet sich an, David Foenkinos mit Anna Gavalda und Martin Page zu vergleichen, die Bilder im Kopf beim Lesen von Nathalie küsst erinnern an Die fabelhafte Welt der Amélie – passenderweise wird das Buch zurzeit mit Audrey Tautou verfilmt. Von Das erotische Potenzial meiner Frau, das ich vor Jahren gelesen habe, war ich nicht unbedingt so angetan, der Autor hat sich in meinen Augen in der Zwischenzeit deutlich gesteigert. Zwei Protagonisten lässt er hier auf höchst amüsante Weise aneinandergeraten, durch einen Kuss: die bildschöne, unnahbare, trauernde Nathalie und den verunsicherten, farblosen Markus, der einen überraschenden Charme besitzt, denn: „Wenn man so die Schwächen aneinanderreiht, gelangt man irgendwann zu einer Stärke.“ Es braucht einen wie ihn, einen, der anders ist, um Nathalie wieder zum Lächeln zu bringen. Völlig frei von Pathos ist dieses Buch, trotz der großen Gefühle, die es zum Inhalt hat. Es lässt den Leser träumen und schmunzeln, es vermittelt ihm, dass das Leben es doch allen Widrigkeiten zum Trotz gut meint mit uns, dass es sonnige Momente gibt, einen Brief zur rechten Zeit, rote Gummistiefel mit weißen Punkten und PEZ. Ein Roman, der etwas ganz Großartiges schafft: Er macht ein Stück weit glücklich.
Durchgekaut und einverleibt. Von diesem Buch bleibt …
… fürs Auge: das Cover ist okay, die Schrift ist schön, der Eiffelturm offensichtlich, nur die Frau will nicht so recht ins Bild passen.
… fürs Hirn: das Hirn darf auf Urlaub gehen, nachdenken muss man nicht bei diesem Buch, sondern sich einfach unterhalten lassen.
… fürs Herz: die ganze verquere und doch so ungewollt romantische Geschichte.
… fürs Gedächtnis: mein Lieblingszitat: „Zuletzt öffnete er die Wohnungstür und fand sein Wohnzimmer im proportionalen Verhältnis zu seiner Lebenslust zu klein.“
Dieser Roman ist nominiert für den „M Pionier“-Buchpreis der Mayerschen Buchhandlung!
Du sprichst mir aus der Seele, liebe Mariki! Mir ist es beim Lesen wie dir ergangen. Falls du magst, kannst du meine Rezension gern lesen. Wo du sie findest, weißt du ja. ; )
Mit besten zauberhaften Grüßen
Klappentexterin
Oh, das hast du so, so schön geschrieben … ich finde, das ist (von all den wunderschönen, die du immer schreibst) die allerschönste Rezension heuer. Wenn man das mal so festlegen kann. Du hast die Stimmung einfach perfekt eingefangen … deine Worte sind selbst so zauberhaft wie das Buch.
Ich fand die Einschübe übrigens von Anfang an grandios – gleich bei den ersten zwei, drei hab ich mir gedacht: Ja, das ist ein Buch für mich, ich seh schon, wir mögen uns!
Das letzte Zitata ist wirklich schön und so tiefgründig …
ein „a“ zu viel …sorry