Feridun Zaimoglu: Hinterland

Außer Konkurrenz
Es gibt diese Bücher, die man schnell wegliest, die man regelrecht verschlingt, verputzt. Und dann gibt es solche, die sich ewig ziehen, in die man nicht hineinfindet. Am schrägsten aber sind jene Bücher, aus denen man nicht mehr hinausfindet. Wie Hinterland von Feridun Zaimoglu. Ein Buch, für das eine Schublade erst erfunden werden müsste, so verquer, verschraubt und verbirndelt ist es. Mit manchen Formulierungen nimmt es mich gefangen, hält mich fest, nur um mich zwei Seiten später auszuspucken wie das Meer einen toten Wal, weil ich nichts mehr verstehe, gar nichts. Und dann doch wieder, aber irgendwie … Deshalb kann ich über den Inhalt nichts und über die Sprache noch weniger erzählen. Deshalb musste ich eigens für dieses Buch eine Kategorie gründen, eine Schublade erfinden, in die es nur hineinpasst, weil sie keinen Namen hat, weil sie „Außer Konkurrenz“ heißt. Der deutsch-türkische Autor Feridun Zaimoglu schreibt für Die Zeit, die FAZ und andere große Zeitungen, er ist ein sprachlicher Zaubertänzer, ein Flüsterer, ein Kicherer, und sein Roman, der aus vielen Splittergeschichten besteht, verhält sich mir gegenüber aufmüpfig wie ein Kobold, treibt Schabernack, schert sich nicht um meine Versuche, einen Zusammenhang und einen Sinn zu finden. Wer sich eine ausführliche Rezension wünscht, findet sie hier. Ich beschränke mich auf eine Sätze-Sammlung, die vielleicht meine widersprüchlich-widerspenstigen Gefühle für dieses aus der Zeit und aus dem Rahmen gefallene Buch verdeutlichen:

„Der Haß, den die Frau mit den verwisperten Träumen empfand, versickerte in grauen Schlieren in ihr Herz, und deshalb hatte sie Herzklopfen, und deshalb trank sie sich jeden Tag besinnungslos, und deshalb aber verlosch sie nicht.“

„Sie wurde von der Zeit nüchtern und verließ heimlich die Kneipe, und kaum war sie an der frischen Luft, verfiel sie in Laufschritt, sie empfand jenes Hochgefühl, das sich bei leicht verzweifelten Jungfrauen einstellt, immer an den Frühlingsnachmittagen zwischen halb vier und halb sechs.“

„Ich machte einen halbherzigen Versuch, mich zu erklären, doch wir wußten alle drei, daß es nicht darauf ankam, in den Worten eines Fußumrißzeichners auf einen Vernunftskern zu stoßen.“

„Mensch Franz, lach mal, daß dir das Maul aufklappt, er würde dann blitzschnell ein Foto schießen und später entdecken, dass er manchmal aussah wie eine tote Forelle, die man mit Küchenpapier trockengetupft hatte.“

„Und der traurigste Fund: die jahrhundertealten Pflaumenkerne aus einem Wasserloch.“

10 Gedanken zu “Feridun Zaimoglu: Hinterland

  1. Klappentexterin schreibt:

    Auch solche Bücher muss es geben, liebe Mariki! Danke für deine erfrischende Besprechung! Ich hatte Feridun Zaimoglu übrigens mal als Gastdozent, seine Seminare waren sehr unterhaltsam und interessant. Das Thema hieß… lass mich überlegen (ist zu lange her)… ich glaube, „literature to go“. Dazu lud er prominente Gäste ein, die eigene oder fremde Texte vorgelesen haben, über die hinterher diskutiert wurden. Das war das einzig lebendige Seminar während meines Studiums, an das ich heute immer noch lächelnd zurückdenke. Ja, wirklich! Du hast mich wieder einmal daran erinnert. Noch ein Lächeln. : ) Und ein Danke!

    Viele Grüße
    Klappentexterin

    • Mariki schreibt:

      Ui, da hast du ja einen sehr persönlichen Bezug zu diesem Autor! Klingt nach einem richtig guten und witzigen Seminar – nicht so angestaubt wie die ganzen Uni-Klassiker. „Hinterland“ zeigt auch, dass Zaimoglu ungemein fantasievoll ist. Vielleicht könntest du ja einen breiteren Weg in dieses Buch hinein finden als das Schlupfloch, durch das ich nicht gepasst habe 😉

  2. caterina schreibt:

    Ich finde die Zitate wahnsinnig spannend – aber begreifen tue ich sie genauso wenig wie du. Schön dein Bild vom „Schlupfloch, durch das ich nicht gepasst habe“ 🙂

    • Mariki schreibt:

      Ich kann gar nicht viel zu dem Buch sagen, mir fehlen ausnahmsweise die Worte. Deshalb ja die Zitate … die natürlich alles andere als ein vollständiges Bild ergeben, aber vielleicht einen kleinen Einblick in das Verrückte, Verquere und Verstandherausfordernde dieses Romans. Womöglich passt du ja besser durch das Schlupfloch! 😀

  3. Constanze schreibt:

    Oh, eine spannende Rezension!
    Ich werde im kommenden Semester an der Uni einen Kurs besuchen, in dem wir über Feridun Zaimoglu sprechen – und vor allem mit ihm, da er die meiste Zeit selbst vor Ort sein wird. Ich bin gespannt!

    • Mariki schreibt:

      Oh, das ist sicher spannend! Da hätte ich auch Lust drauf .- besonders nachdem die Klappentexterin so von dem lebhaften Herrn Zaimoglu geschwärmt hat. Wenn er so redet, wie er schreibt, dann hast du einen sehr fantasiereichen Ausflug vor dir 😀

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