Little Booknotes

thumb_IMG_6900_1024Kurze Meldungen zu 8 Büchern
In den letzten Wochen habe ich einige Bücher gelesen, über die ich nicht unbedingt schweigen will, zu denen ich aber auch nicht allzu viel zu sagen habe. Das bedeutet nicht zwangsweise, dass sie mir nicht gefallen haben – meine Gedanken dazu reichen nur ganz einfach nicht aus für eine umfassende Besprechung. Daher serviere ich euch hier ein paar Kurznotizen dazu und freu mich natürlich über Meldungen von eurer Seite: Kennt ihr einen der Romane? Und wie ist eure Meinung dazu?

 

  1. Jonathan Löffelbein: Besucher. Kladdebuchverlag, 180 Seiten, ISBN 978-3-945431-10-8, 19 Euro.

Jonathan Löffelbein ist erst 24 Jahre alt und hat bereits ein Buch veröffentlicht. Seit er ein Kind ist, steht er auf diversen Bühnen. Er ist jung und wild und kreativ – und hat sich für sein Debüt nicht zurückgehalten. Gleich der Teufel ist es, den er auftreten lässt: Protagonist Thomas, der sich eben noch umbringen wollte, bekommt Besuch von einer merkwürdigen Gestalt, die ihn zwingen will, sich nicht selbst zu töten, sondern jemand anderen. Was folgt, ist ein wirrer Reigen aus Wahnvorstellungen und unerklärlichen Ereignissen, aus verrückten Dialogen, Neid, Missgunst und Vorträgen über die Moral und/oder Scheinheiligkeit. Einerseits hat dieser Roman mich mit seiner Kraft und Kompromisslosigkeit beeindruckt, andererseits hat mich all der Irrsinn zum Teil derart überfordert, dass ich kaum weiterlesen konnte. Ein hochgradig merkwürdiges, bemerkenswertes, absurd krasses Buch.

  1. Richard Flanagan: The narrow road to the deep North. Man Booker Prize 2014, auf Deutsch: Der schmale Pfad ins Hinterland, Piper Verlag, 448 Seiten, ISBN 978-3492057080, 24 Euro.

Dies ist ein Buch über den Krieg. Dorrigo Evans ist gefangen in einem japanischen Lager, wo die Soldaten beim Bau der „Line“ – der Strecke für die Eisenbahn – am Burma Death Railway verheizt werden. Sie sterben im Namen des Kaisers wie die Fliegen, ohne dass Dorrigo, der als Arzt arbeiten soll, etwas dagegen tun kann. „A happy man has no past, while an unhappy man has nothing else“: Noch Jahrzehnte später denkt Dorrigo an die Erlebnisse im Gulag. Und er denkt immer noch an Amy, die Frau seines Onkels, in die er rasend verliebt war, bevor er in den Krieg musste. Nie hat er erfahren, was aus ihr geworden ist. Dieses Buch ist wahnsinnig traurig und deprimierend und brutal, es zeigt die Grausamkeit des Krieges in all seinen trostlosen Details. Stellenweise war es mir viel zu langatmig. Lieblingszitat: „A good book leaves you wanting to reread the book. A great book compels you to reread your own soul.“

  1. Martin Kordić: Wie ich mir das Glück vorstelle. Hanser Verlag, 176 Seiten, ISBN 978-3-446-24529-7, 17,40 Euro.

Ebenfalls dem Krieg widmet sich dieses Buch, das den Leser mitnimmt ins ehemalige Jugoslawien. Erzählt wird die Geschichte von einem Jungen, Viktor, der sich ganz allein durchschlägt – er sucht in zerbombten Städten nach Essen, er weicht den herumsirrenden Kugeln aus, er tut sich mit Weggefährten zusammen, die er später wieder verliert. Alles an diesem Buch ist furchtbar, jede Seite tropft vor Blut, jeder Satz weint vor Einsamkeit. Viktor hat die schrecklichste Kindheit, die man sich vorstellen kann – und die viele Kinder in der Realität tatsächlich erleben. Ich hatte während der ganzen Lektüre einen Kloß im Hals. Ein Roman, der mitten ins Herz schneidet.

  1. Simon van Booy: Die Illusion des Getrenntseins. Insel Verlag, 207 Seiten, ISBN 978-3-458-17592-6, 18,95 Euro.

„Liebe ist auch eine Verletzung und kann nicht ungeschehen gemacht werden“, schreibt Simon van Booy in diesem Buch, das ebenfalls den Krieg zum Thema hat. Es geht darin um einen Mann, der als Baby mitten in einem Getümmel voller Nazis von einer mutigen Frau gerettet wurde. Um ein blindes Mädchen, das sein Leben sehr selbstständig führt und die Liebe findet. Um einen Mann, dem im Krieg der halbe Kopf weggeschossen wurde und der nie mehr als der lebte, der er eigentlich war. Gut geschrieben ist dieser Roman, wenn auch ein wenig verwirrend in seinem steten Zeiten- und Personenwechsel. „Wir werden alle durch etwas bestimmt, das wir nicht ändern können.“ Im Fall des Krieges ist das auf jeden Fall wahr.

  1. Gudrún Eva Mínervudóttir: Alles beginnt mit einem Kuss. Btb Verlag, 384 Seiten, ISBN 978-3442746095, 9,99 Euro.

Bücher aus Island haben stets etwas merkwürdig Geheimnisvolles. Zumindest gilt das für jene, die ich bisher gelesen habe – wie etwa dieses hier. Es geht darin um eine Frau, die Adoptivmutter des Erzählers David, die ihrer Meinung nach einen Musenkuss erhalten hat. Er hat sie zur Künstlerin gemacht, und sie kann ihn weitergeben. Doch als sie das tut, geschehen verrückte Dinge, die schließlich den Tod bringen. Jahre später versucht David endlich herauszufinden, was damals geschehen ist. Das ist alles mehr als seltsam, aber interessant und unterhaltsam zu lesen. Am coolsten und zugleich am schrägsten in diesem Buch sind die Comics und Zeichnungen.

  1. Germán Kratochwil: Scherbengericht. Picus Verlag, 312 Seiten, ISBN 978-3-85452-682-7, 22,90 Euro.

2012 war dieses Buch für den Deutschen Buchpreis nominiert. Der Autor, der in Österreich geboren ist, wanderte als Kind nach Patagonien aus. Dort spielt auch sein Roman, in dem er zwölf Leute zu einer Geburtstagsfeier versammelt. Doppelbödig soll das sein, schwarzhumorig und konfliktträchtig. Viel kam davon jedoch nicht bei mir an, weil mich die Geschichte absolut nicht gepackt hat. Ich hab versucht, mich durchzuwühlen, konnte aber keinen Gefallen daran finden. Es war mir zu langweilig, leiernd, nichtssagend.

  1. Elisabeth Tova Bailey: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen. Nagel & Kimche, 176 Seiten, ISBN 978-3312004980, 8,99 Euro.

Dafür, dass dieses Buch ein völlig unspektakuläres Thema behandelt, hat es für recht viel Aufsehen gesorgt. Die Autorin erzählt darin auf sehr persönliche Weise von einer ebenso schweren wie mysteriösen Krankheit, die sie für sehr lange Zeit ans Bett gefesselt hat. Die einzige Ablenkung in dieser Zeit war für sie eine Schnecke auf einer Topfpflanze, die sie geschenkt bekam und fortan beobachtete. Davon berichtet sie – gemischt mit viel Wissen über die Schnecke an sich. Dieses Buch ist kurzweilig und interessant, für mich aber kein Highlight. Was man durch die Lektüre lernen kann: Entschleunigung.

  1. Sandra Weihs: Das grenzenlose Und. Frankfurter Verlagsanstalt, 192 Seiten, ISBN 978-3627002206, 19,90 Euro.

Vor einer Weile hab ich die ersten 50 Seiten dieses Buchs als Manuskript bekommen, ein wenig redigiert und mit Feedback zurückgeschickt. Als ich dann auf der Leipziger Buchmesse von dieser Story erzählt bekam, dachte ich: Moment – das kommt mir doch bekannt vor! Die Österreicherin Sandra Weihs hat den Preis der Jürgen-Ponto-Stiftung bekommen und ihr Debüt veröffentlicht. Ich war natürlich sehr darauf gespannt, zu lesen, was aus dem Manuskript geworden ist. Auf den ersten Seiten war sofort klar, dass es viel, viel besser ist – kraftvoller, lebendiger, witziger. Sandra Weihs hat auf jeden Fall Talent. Ein wenig schade finde ich, dass das Buch in der zweiten Hälfte schwächer wird und in vorhersehbaren Kitsch abdriftet. Für einen Erstling ist das ganz in Ordnung, der große Clou ist es noch nicht.

Evelyn Waugh: Brideshead Revisited

WaughSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs trifft Militärkommandant Charles Ryder in Brideshead ein – und erinnert sich beim Anblick des verlassenen Anwesens an die goldenen Zeiten, die er dort verbracht hat. In Oxford lernte er den exzentrischen Sebastian kennen und freundete sich mit ihm an, begeistert war er auch von Sebastians katholischer Familie voll schräger Vögel. Der Vater lebte mit seiner Geliebten in Rom, die Mutter ignorierte das nach Kräften, Sebastians Schwester Julia verzauberte Charles mit ihrer fast schon ruppigen Art. Als Sebastian dem Alkohol verfiel, konnte Charles dem besten Freund nicht helfen. Jahre später – Charles war verheiratet, Vater zweier Kinder und als Künstler in der Welt unterwegs – traf er erneut auf Julia. Doch letztlich sollte für Charles alles, was er sich rund um die Brideshead-Familie ausgemalt hatte, nicht so enden wie gedacht.

Hat’s gemundet?
Ja. Das von Evelyn Waugh – übrigens ein Mann – 1945 veröffentlichte, angeblich autobiografisch geprägte Buch ist ein Klassiker, sehr nostalgisch und ziemlich antiquiert. Das hat mich zwischendurch beim Lesen ein wenig gequält, da gestelzte Ausdrücke in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, natürlich doppelt anstrengend sind. Ich mag aber die Schwerfälligkeit des Romans, die Nonchalance, dieses Lässige, das der Krieg später von allen abschüttelt. Die reichen Studenten in Oxford fühlen sich wie junge Götter, denen Prüfungen und Alkohol nichts anhaben können. Dann fallen sie vom hohen Ross, und Evelyn Waugh gibt diesem Wandel eine sehr wehmütige Stimme. Überrascht haben mich dabei die oftmals religiösen Interpretationen der Ereignisse.

Wer soll’s lesen?
Umgekehrt formuliert – sollte man wohl gelesen haben.

Yasmina Khadra: Die Schuld des Tages an die Nacht

KhadraSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Younes wird in Algerien als Kind armer Bauern geboren, deren gesamte Ernte einem absichtlich gelegten Feuer zum Opfer fällt. Der Vater bringt die Familie in die Stadt Oran und versucht mit eisernem Willen, dem Elend zu entkommen, scheitert jedoch schrecklich. Um wenigstens dem Sohn ein gutes Leben zu ermöglichen, überlässt er ihn seinem Bruder, einem Apotheker, und Younes wird im europäischen, reichen Teil der Stadt zu Jonas. Schnell findet er drei beste Freunde, deren Schicksal sich später rund um die schöne Émilie dreht, die jeder Einzelne von ihnen liebt. Der Krieg macht ihnen in jeder Hinsicht einen Strich durch die Rechnung, und viele Jahrzehnte später erinnert Younes sich voller Wehmut an das, was er getan und das, was er versäumt hat zu tun.

Hat’s gemundet?
Ja. Allerdings waren die Erwartungen vermutlich ein wenig zu groß. Denn der Klappentext spricht von einer Liebe zwischen Younes und Émilie, einer „Sehnsucht, in der sich über die folgenden Jahrzehnte hinweg das schwierige Verhältnis von Orient und Okzident spiegelt“. Das ist zu hoch gegriffen, denn eine solche Liebe gibt es nicht, und in all den Jahrzehnten besteht zwischen den beiden Figuren gar kein Kontakt. Das hat mich ein wenig irritiert. Ansonsten aber ist Die Schuld des Tages an die Nacht des algerischen Autors Mohammed Moulessehoul, der unter dem Pseudonym Yasmina Khadra schreibt, ein intelligentes, eindrucksvolles Buch über das Leben in Algerien in der Zeit von 1930 bis 1960, das Porträt eines von Unruhen gebeutelten Landes. Es geht um Leid und Unglück, um Schicksal und die Machtlosigkeit, mit der man ihm gegenübersteht. Gut und flüssig zu lesen, zwischendrin vielleicht ein wenig langatmig.

Wer soll’s lesen?
Jeder, der gern in fremde Länder reist und mitfiebert, ob ein Protagonist es schafft, seinem vermeintlich vorgezeichneten Schicksal zu entkommen.

Bestes Zitat:

„Hör auf zu jammern, mein Junge. Es gibt nur einen Gott auf Erden, und der bist du. Wenn dir die Welt nicht gefällt, denk dir eine neue aus, und lass nicht zu, dass der Kummer dich von deiner Wolke holt. Das Leben lächelt dem zu, der es ihm mit gleicher Münze heimzahlt.“

William E. Bowman: The ascent of Rum Doodle

BowmanSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?

Die mitwirkenden Personen:
Ein Teamleiter, der sich vor allem durch Naivität auszeichnet
Ein Bergführer, der sich ununterbrochen verirrt
Ein Arzt, der ständig krank ist
Ein Dolmetscher, der nur diskutiert und blutige Aufstände auslöst
3000 Yogistani Träger

Der Ort:
Rum Doodle, mit 40.000 ½ Fuß der höchste Berg der Welt

Die Mission:
Auf den Gipfel zu kommen

Hat’s gemundet?
Absolutely not! Bowmans Roman ist eine „Bergsteigersatire aus den 50er-Jahren“, die 2013 neu entdeckt und als „das lustigste Buch, das Sie je gelesen haben“ angepriesen wurde. Well. It’s not. Wir wissen ja alle, wie heikel das ist mit dem Humor – und Klamauk entspricht nicht meinem Stil. Ich finde alles, was in diesem Roman schiefgeht, einfach nur überzogen und dumm. Statt 3000 Trägern (die gebraucht werden, weil jeder für einen anderen etwas zu essen tragen muss) kommen wegen eines Kommunikationsfehlers des Dolmetschers 30.000, als ein Teammitglied in einer Gletscherspalte festsitzt, wird ein weiteres hinuntergeschickt – dann sitzen beide fest und verlangen nach Champagner, das geht so lange, bis mehrere sturzbetrunkene Männer unten singen. Ja. Witzig? Nein. Erinnert ihr euch an Filme wie „Die nackte Kanone“? Die fand ich immer schon sehr, sehr schlimm. Weil Dinge geschehen, die unrealistisch und clownesk sind. Damit ich lache, muss die Ironie mich beißen, und der Sarkasmus muss mir in den Hintern treten. Beides ist hier nicht der Fall. Viele Rezensenten schreiben, sie hätten sich totgelacht. Ich hab mich totgelangweilt.

Wer soll’s lesen?
Wer klamaukige Parodien mag.

David Trueba: Die Kunst des Verlierens

TruebaSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um die 16-jährige Sylvia, die sich zum ersten Mal verliebt, und zwar in einen jungen Fußballstar aus Argentinien, der leider nicht lang in Madrid bleibt. Abschied nehmen muss auch Sylvias Großvater Leandro, denn seine Frau liegt im Sterben. Ablenkung findet er im Bordell, bei einer jungen, dunkelhäutigen Hure, die sich vor seinem Altmännerkörper ekelt, der er aber dennoch all seine Ersparnisse in den Rachen wirft. Sein Sohn Lorenzo, Sylvias Vater, bei dem sie nach dem Weggang der Mutter lebt, hat ebenfalls finanzielle Probleme: Nach der Pleite des Unternehmens, das er mit Geschäftspartner Pablo führte, bleiben ihm nur Gelegenheitsjobs. Also bringt er in seiner Verzweiflung Pablo einfach um.

Hat’s gemundet?
Jup. Ich hab wegen des Titels und des Covers zu dem Buch gegriffen, von dem ich nie zuvor gehört hatte, und hab den ersten Absatz gelesen – da war ich sofort angetan.
imageDas hat sich zum Glück bis zum Ende aufrechtgehalten. Der Klappentext verwendet die Adjektive „komisch, tieftraurig und anrührend“, was ich absolut bestätigen kann. Ein feines, unterhaltsames, nettes, aber niveauvolles Buch über kleine Fehler und große Geheimnisse. Bis auf die Ähnlichkeit der Namen Leandro und Lorenzo, die ich während der Lektüre dauernd verwechsle, habe ich nichts daran auszusetzen. Sehr gut gemacht, lesenswert!

Wer soll’s lesen?
Freunde von feinsinniger, nicht zu schwerer Unterhaltungsliteratur.

Wolfgang Herrndorf: Sand

sand-cover-180xVarSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um einen Mann, der 1972 mit eingeschlagenem Schädel in einer Schnapsbrennerei in der Sahara erwacht und fortan versucht, herauszufinden, wer er ist. Ein Spion? Hat er getötet? Sind seine Frau und sein Kind tatsächlich in der Hand von Verbrechern, die ihn erpressen wollen – hat er überhaupt Frau und Kind? Was hat das alles mit vier Toten in einer Hippie-Kommune zu tun, und verkauft die geheimnisvolle blonde Helen aus Amerika wirklich Schminke? Er ist ratlos und weiß nicht, wer Freund oder Feind ist, und am Ende erlebt er die grausamste Überraschung des Schicksals überhaupt – so radikal und ironisch, dass ich laut lachen musste.

Hat’s gemundet?
Ehrlich gesagt – ich weiß es nicht. Viele Teile des Romans finde ich spannend, gut inszeniert, sehr lebendig, andere verlaufen im Sand, und ich langweile mich ein bisschen. Deshalb stehe ich diesem hochgelobten Werk des inzwischen verstorbenen Autors zwiespältig gegenüber. Ich verirre mich in den Beschreibungen der vielen Figuren und kann in manchen Dialogen keinen Antrieb erkennen, der den Roman weiterbringen würde. Ich laufe im Sand im Kreis – und genau das ist, ich verstehe es ja, Sinn der Sache. Mir zu zeigen, wie zermarternd, wie grausam und rücksichtslos das Leben ist. Diese Botschaft transportiert Wolfgang Herrndorf meisterhaft. Er beweist auf spielerische Art, wie sinnlos jegliche Anstrengung letztlich ist. Bamm! Ein Wahnsinn von einem Buch.

Wer soll’s lesen?
Wer gern Agententhriller mit Hirn liest oder wissen möchte, was hinter dem Hype steckt.

Sophie Laguna: Lichterloh

LagunaSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Um Heather, die wie eine Gefangene im Haus ihrer streng religiösen Eltern lebt. Sie hat noch nie ein anderes Kind gesehen, besitzt keine Spielsachen oder Bücher, ihre Eltern berühren sie nur, um sie zu bestrafen. Doch Kochlöffel, Stift und Türknauf sprechen zu Heather, flüstern ihr zu, nach draußen zu gehen, und für kurze Zeit darf Heather sogar die Schule besuchen. Dann gewinnt der Wahnsinn ihrer Eltern erneut die Oberhand, und um sich dagegen zu wehren, muss Heather erst wachsen, mutig werden, ihre Verzweiflung in Wut umwandeln.

Hat’s gemundet?
Nun ja. Dieses Buch zu lesen, ist, wie auf Holz zu kauen. Hart. Und voller Splitter. Heathers Leben ist ein Alptraum, so voller Einsamkeit, Verwirrung und Sehnsucht, dass meine ganze Haut vor Mitleid brennt. Eine Mutter, die das Kind ans Kreuz hängt, ein Vater, der sich nachts auf das Kind drauflegt, andere Kinder, die es ausgrenzen – all das ist schon allein in der Fantasie schwer zu ertragen. Das einzig „Schöne“ an diesem Buch sind die kraftvollen Sprachbilder, die die Geschichte noch intensiver machen. Mir ist es teilweise einfach zu irre und zu anstrengend, aber ich ziehe den Hut vor Sophie Lagunas schmerzhaftem Kraftakt.

Wer soll’s lesen?

Wer starke Nerven hat.

Entdeckt habe ich das Buch vor einiger Zeit bei Flattersatz.

Karen Thompson Walker: The age of miracles

WalkerSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
„There was no footage to show on television, no burning buildings or broken bridges, no twisted metal or scorched earth, no houses sliding off slabs. No one was wounded. No one was dead. It was, at the beginning, a quite invisible catastrophe.” Und diese unsichtbare Katastrophe besteht darin, dass die Erde sich langsamer um sich selbst dreht, sie verliert an Geschwindigkeit. Tage und Nächte werden länger, sehr viel länger, Pflanzen und Tiere sterben, die Menschen versuchen, mit dem neuen Rhythmus zurechtzukommen. Für die elfjährige Hanna hängt mit der globalen Krise eine tiefgehende Umwälzung in ihrem unmittelbaren Umfeld zusammen: Sie verliert ihre beste Freundin, ihr Vater hat eine Geliebte, und sie verliebt sich zum ersten Mal. Und die ganze Zeit über weiß niemand, was geschehen wird – mit dem Planeten und ihnen allen.

Hat’s gemundet?
Durchaus. Karen Thompson Walker hat sich ein sehr originelles und spannendes Szenario ausgedacht: eine Naturkatastrophe, so neu und unbeeinflussbar wie gefährlich. Welche Auswirkungen hätte es auf das uns bekannte Leben, würde die Drehgeschwindigkeit der Erde sich verlangsamen? Die Autorin gibt der elfjährigen Ich-Erzählerin eine solide, gar nicht naive Stimme, die älter wirkt und der ich gern lausche. Ihr ist eine ausgewogene Mischung aus weltweiter Endzeitstimmung und zerbrochenem Glück im Privaten gelungen. Etwas schade finde ich, dass der Roman am Ende ein wenig versickert. Insgesamt jedoch ein lohnendes Buch.

Wer soll’s lesen?
Freunde von klugen Ausgangsideen und kindlichen Protagonisten.

T. C. Boyle: Der Samurai von Savannah

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Worum geht’s?
Hiro Tanaka aus Japan wagt den Sprung nach Amerika – und zwar von einem Schiff aus ins eisige Meer. Er schwimmt um sein Leben und kann sich schließlich auf Tupelo Island an Land retten. Dumm nur, dass er von dieser Insel nicht mehr runterkommt. Außerdem wirder von der aufstrebenden Schriftstellerin Ruth Dershowitz, die in der dort ansässigen Künstlerkolonie wohnt, und ihrem Freund Saxby gesehen, woraufhin eine wahre Hetzjagd auf den fast verhungerten Japaner beginnt. Ruth, die an einer Schreibblockade leidet und krank ist vor Eifersucht auf ihre weitaus bessere Autorenkollegin, rettet Hiro, indem sie ihm Unterschlupf gewährt und ihn mit Essen versorgt. Damit handelt sie sich selbst jedoch eine Menge Probleme ein.

Hat’s gemundet?
Nein! Überhaupt nicht. Ich habe das Buch von einer Freundin bekommen, deren Lieblingsautor T. C. Boyle ist. Und ich verstehe nicht, warum. Ich war gespannt auf mein erstes Buch von diesem ja doch sehr gerühmten Autor, wollte es aber schon nach einer Weile entrüstet an die Wand knallen: als die Rede war von einer „Epiphanie der Magensäfte“ statt von ordinärem Hunger. T. C. Boyle hat einen für mich unerträglich überkandidelten, dramatischen, theatralischen Stil, und all das Gerede von „Negern“ und den eitlen Künstlern ging mir extrem auf den Sack. Jede Figur im Buch nimmt sich über die Maßen wichtig, alle beweihräuchern sich selbst, die Dialoge sind inhaltsleer und überzogen. Was das Buch mir sagen will, bleibt mir auch ein Rätsel. Dass die Menschen in den Südstaaten primitiv sind? Dass sie Jagd auf Andersartige machen? Dass man es geschafft hat, wenn man in Künstlerkreisen verkehrt und zur Cocktailstunde geladen wird? Ich sage nur: laaangweilig.

Wer soll’s lesen?
Wenn’s nach mir ginge, niemand.

Marina Lewycka: Das Leben kleben

LewyckaSnack für zwischendurch – Kurzrezension

Worum geht’s?
Georgie Sinclair hat zwei (fast) erwachsene Kinder und eine halbwegs glückliche Ehe, die jedoch über einem Streit beim Frühstück zerbricht: Ihr Mann Rip zieht aus. Fortan vertreibt Georgie sich die Zeit neben ihrer Arbeit an einem Journal über Klebstoff mit halbherzigen Versuchen, einen Liebesroman zu schreiben, und sie lernt die schillernde Mrs. Shapiro kennen, die in einer verfallenen Villa mit einem Haufen Katzen lebt. Sie ist alt und ziemlich verwahrlost, aber Georgie interessiert sich für die abstruse Geschichte, die Mrs. Shapiro ihr erzählt – von ihrer großen Liebe, einem jüdischen Musiker, und einer glanzvollen Vergangenheit, von der nichts übrig ist. Georgie dämmert allerdings allmählich, dass an Mrs. Shapiros Erzählungen einiges nicht stimmt. Dennoch hilft sie ihr, als die alte Frau nach einem Sturz in soziale Obhut kommen soll – und versucht, den windigen Immobilienmaklern, die sich um die Villa reißen, das Handwerk zu legen, das Haus mithilfe diverser Chaoten zu renovieren, hinter das Geheimnis ihres Sohnes zu kommen und nebenbei noch ihren Mann zurückzugewinnen.

Hat’s gemundet?
Oooch. Passt schon. Marina Lewycka ist vor vielen Jahren berühmt geworden mit ihrer Geschichte des Traktors auf Ukrainisch, das ich damals ganz amüsant fand. Das Leben kleben habe ich gratis aus einer Bücherkiste gefischt, hätte es aber ohne mein Projekt, den gesamten alten SuB zu vernichten, wohl nie gelesen. Was es kann? Ein bisschen Spaß machen. Die Story ist nett und einfach und einigermaßen lustig, wobei die Witze manchmal doch ein wenig an Niveau zu wünschen übrig lassen. Mit dem Versuch, den Konflikt im Nahen Osten einzubauen, hat sich die Autorin in meinen Augen keinen Gefallen getan, solche Themen sind sehr heikel in einem Buch, das nur unterhalten will. Generell war mir der Roman ein wenig zu überladen mit Figuren und Klamauk, aber er lässt sich ratzfatz weglesen, wenn man Lust auf was Seichtes hat.

Wer soll’s lesen?
Fans von typischen Frauenbüchern.